Lena: Schön, dass wir dich heute in unserem Livestream haben dürfen lieber Sebastian! Wir haben noch garnicht ausführlich über deinen sehr erfolgreichen Sieg bei den iQFOil Games reden können. Doch bevor wir dazu kommen, möchten wir gerne erfahren, wo du gerade bist und wie es dir geht?
Sebastian: Vielen Dank, dass du mich wieder interviewst und auch, dass du mir diese Plattform hier bietest. So können wir dem ein oder anderen auch das iQfoilen und vielleicht auch meine Person ein bisschen näher bringen. Ich bin zurzeit in Tarifa und komme gerade auch frisch vom Wasser. Es gab heute überhaupt keinen Wind, aber dafür ein paar Wellen. Diese habe ich genossen, daher geht es mir dementsprechend gerade sehr gut.

Lena: Deine Base ist Tarifa. Es scheint ein echt gutes Trainingsrevier zu sein. Wenn es keinen Wind gibt, gibt es dafür Welle. Ist Wellenreiten ein fester Bestandteil deines Trainingsprogramme oder ist es immer eher eine spontane Eingebung?

Sebastian: Wir haben tatsächlich recht wenig Welle hier in Tarifa, weil die ganze Bucht von Cádiz ein bisschen abgeschirmt ist. Besonders im Sommer ist es komplett flach. Das ist auch sehr wichtig für uns, denn wir müssen mit unseren Foils durch die Brandung und bei größeren Wellen kann das für unser Equipment recht riskant werden. Grundsätzlich ist Wellenreiten nur ein eher seltener Spaß, der dazu dient, ein bisschen runter zu kommen und sowas wie Urlaub für mich ist.

Lena: Wie sind jetzt die Wetter- und Wassertemperaturen bei dir?

Sebastian: Heute morgen hat es geregnet und war ein bisschen bewölkt, bei 20 Grad. In Tarifa ist es aber häufig so, dass es morgens grau und regnerisch ist und zwei Stunden später der Himmel aufreißt und die Aktivität draußen beginnen kann. Grundsätzlich ist es noch sehr schön warm hier.

Lena: Wärmeres Wetter und längeres Tageslicht sind auch ganz wichtig für uns Windsurfer, damit wir lange auf dem Wasser trainieren können.

Sebastian: Genau! Deswegen hoffe ich, dass wir auch irgendwann in näherer Zukunft, wenn sich die globale Situation ein bisschen verbessert hat, auch hier unten ein Trainingslager auf die Beine zustellen. Ich sehe ein ausgiebiges Wintertraining als die einzige Möglichkeit, die man hat, um in der Weltspitze mitzufahren. Das kriegt man nur im Süden, in Deutschland ist das leider nicht möglich.

Lena: Lass uns über die iQFOiL Games reden, denn die hast du gewonnen. Ursprünglich hätten die Games eine WM sein sollen und obwohl das Ganze unter einem anderen Name gelaufen ist, war die Weltspitze vor Ort. Die Qualität des Events war enorm hoch und die Bedingungen waren gut durchmischt: Wind aus verschiedenen Richtungen, mal leicht, mal ziemlich stark und auch viel dazwischen. Erzähl uns doch von deinen Rennen und den Bedingungen.

Sebastian: Wir sind vornehmlich bei Nordwind gefahren, aber es war tatsächlich alles dabei und war daher sehr anspruchsvoll von den Bedingungen her. Wir sind viele Rennen gefahren, darunter sogar einen Marathon.

In der iQFoiL Class ist vorgesehen, dass wir bei der Regatta in drei verschiedenen Disziplinen Rennen fahren, die dann zum Gesamtergebnis führen: Long Distance Marathon, Sprint Slalom und klassische Kursrennen.

Der Marathon ist noch eine bisschen offene Geschichte, er soll auf jeden Fall über eine Stunde dauern und es gibt dabei einen Massenstart. Gold und Silber fahren zusammen und das können dann schon ganz schön viele werden. Wir hatten auch einen Rabbit Start, sprich ein Boot rast Vollgas über die Startlinie und wir dürfen hinter dem Boot starten, ziemlich spektakulär. Beim Long-Distance am Gardasee sind wir in Campione losgefahren, hoch zum Cap Reamol, zurück nach Malcesine und das Ziel war wieder in Campione. Ich glaube, die Schnellsten haben 52 Minuten gebraucht. Die Distanz wurde von den Corona-Regeln insofern begrenzt, dass wir uns nur in bestimmten Teilen des Sees aufhalten durften.

Der Marathon wird doppelt gezählt, aber nur mit der Hälfte der Punkte. Heißt, wenn man den zweiten Platz eingefahren hat, dann hat man quasi zwei erste Plätze bekommen. Dadurch ist der Sieg im Marathon ein großes Thema, weil der Gewinner zweimal einen halben Punkt bekommt und dadurch natürlich einen großen Vorteil erhält. Zum Schluss findet am letzten Tag natürlich auch noch ein Medal Race statt, bei dem die ersten 12 Plätze entschieden werden.

Lena: Es gibt 4 verschiedene Formate, wenn man das Medal Race auch mitzählt. Alle scheinen darauf ausgelegt zu sein einem noch eine Chance zu geben und bis ganz zum Schluss einen Ausgleich zu ermöglichen. Trotzdem muss man in allen Disziplinen gut sein, um in die Top 12 zu kommen. Würdest du so weit gehen und sagen, dass man dafür ein Allround- Sailor sein muss?

Sebastian: Definitiv! Da ich vom Formula komme, bin ich schon von klein auf gewohnt Kursrennen zufahren. Das hat mir schon sehr geholfen, mich im Kursrennen zu behaupten. Beim Slalom habe ich wiederum den Vorteil, dass ich bereits seit sechs Jahren Slalom fahre und entsprechend Erfahrung habe. Dann ist es natürlich gut für mich, dass beides abgefragt wird. Im Kursrennen konnte ich mich jedoch nicht ganz gegen den Franzosen durchsetzen, aber konnte eigentlich einen ganz guten zweiten Platz für mich behaupten. Von der Performance her war aber auch mal ein dritter und vierter Platz mit dabei, aber ich war immer einigermaßen vorne mit dabei. Im Slalom habe ich bis auf einen Ausrutscher alle meine Rennen gewonnen. Das hat mir einen guten Selbstbewusstseins- Boost gegeben. Dieses Selbstbewusstsein hat mir die Kraft gegeben am letzten Tag im Medal Race nochmal alles zu geben und vorne mitzufahren. Tatsächlich ist es mir gelungen mich an die Spitze des Feldes zulegen und ich habe dann quasi klassisch praktisch verteidigt und dann war es zum Schluss nur noch eine kurze halbwind Strecke ins Ziel.

Lena: Wir müssen noch einmal bisschen zurück gehen in der Zeit. Der Kampf zwischen dir und Nicolas Goyard, dem Franzosen, hat nicht erst am Gardasee angefangen, sondern bereits bei der EM, bei welcher du auch dieses Jahr Zweiter geworden bist. Nicolas hatte jedoch in der Woche beim Silvaplana so ein bisschen die Oberhand.

Sebastian: Nicht beim Slalom. Aber beim Kursrennen ist Nico tatsächlich ein sehr starker Fahrer und wir sind auch mehr Kursrennen gefahren. Er fährt mit einem anderen Setup, dass ich auch einmal ausprobiert habe. Da muss ich noch ein bisschen Zeit reinstecken, um da den Anschluss zu kriegen. Wenn ich mich jedoch im Medal Race nach vorne setzen kann durch den Slalom- Start, da ich bisher der Schnellste bin, dann kann ich ihn sozusagen kontrollieren.

Lena: Du vermutest, dass sich diese Rivalität jetzt bis nach Marseille dann weiterziehen wird. Denkst du nicht, dass vielleicht auch noch andere Konkurrenten mit um die Spitze kämpfen werden?

Sebastian: Es gibt natürlich immer die „Gefahr“, dass junge und extrem talentierte Konkurrenten nachkommen, mitmischen und hart trainieren. Aber wir trainieren alle viel. Zum Schluss ist es halt immer noch Nicolas und genauso wird es dann bei mir auch sein. Ich habe auch viel trainiert und deswegen bin ich auch selbstbewusst, etwas anderes bleibt einem ja auch nicht übrig. Wenn man mental stark ist hat man die besten Karten. Deswegen habe ich jetzt keine große Angst, dass da irgendjemand noch kommt und uns komplett dominiert.

Lena: Wir haben schon ein bisschen den Vorteil, dass wir uns komplett auf das iQFoilen konzentrieren können, während alle Windsurfer, die das olympische Windsurfen im Moment noch machen und 2021 zu den Olympiaden wollen, immer noch mit der alten Klasse trainieren müssen und sich natürlich noch auf Tokyo vorbereiten. Siehst du auch den Vorteil darin?

Sebastian: Grundsätzlich muss man aber auch sagen, dass zwischen EM und WM ganz wenig RSX- Training stattgefunden hat, wie ich gehört habe, weil jetzt erst in Vilamoura Portugal die Europameisterschaft kommt. Dementsprechend haben sich alle hauptsächlich auf die Weltmeisterschaft auf dem iQ vorbereitet. Da wurde schon auf jeder Front trainiert. Es gilt für alle immer wieder versuchen irgendetwas zu finden, wo vielleicht noch kein anderer darauf gekommen ist und immer wieder besser sein als die Version, die man bei der letzten Regatta war. Man hat auf jeden Fall immer noch ein paar Punkte, an denen man arbeiten kann.

Lena: Ist das ein Geheimnis oder kannst du uns diese Punkte von dir verraten?

Sebastian: Ich kann auf jeden Fall verraten, dass ich im Kurs das Setup ändern muss, da ich für den Marathon auf dem falschen Setup war. Mit dem neuen kann man sich einfach über diese ganze Stunde an körperlicher Anstrengung einfach besser auf die Rennen und die Winddreher konzentrieren.

Lena: Wir würden gerne den NRV- Mitgliedern und Clubheft-Lesern die Möglichkeit geben noch etwas mehr über dich und deine Persönlichkeit zu erfahren. Was sind deine seglerischen Hintergründe? Kannst du uns erzählen, wie du zum Windsurfen gekommen bist?

Sebastian: Ich hab klassisch im Opti angefangen und hatte im Optimisten die Grundausbildung am Bodensee mit sechs Jahren. Mit sieben Jahren habe ich dann aus dem Opti einen Windsurfer gesehen, der an mir vorbei gehämmert ist. Wieder an Land angekommen ging ich sofort zu meinem Vater und sagte ihm das ich auf windsurfen wechseln will. Glücklicherweise hat er mich dabei immer sehr unterstützt aber hat auch aus mir selber die Passion entstehen lassen.

So habe ich mit Windsurfen angefangen und bin relativ schnell die ersten Rennen gefahren. Ich habe mich immer total gefreut, wenn ein bisschen mehr Wind war, dann konnte ich mein Formular Material auspacken und war viel schneller als alle anderen. Aber mit diesen langen langsamen Boards mit Schwert habe ich auch viel Taktik gelernt. Ich bin dann irgendwann in die Schweizer Serie eingestiegen, da habe ich sehr viel von Richard Stauffacher gelernt. Er war der Schweizer Olympionit und hat einfach taktisch richtig viel auf dem Kasten und er wurde dann mein größter Konkurrent. Nach ein paar Jahren wurde ich dann internationaler Schweizer Meister geworden und fuhr daraufhin meine ersten größeren Regatten in Deutschland. 2012 wurde ich deutscher Meister overall, das war eine Gesamtwertung die sich aus den Ergebnissen von Slalom und Formular ergab. In 2013 wurde ich Deutscher Meister im Formula und habe mich danach auf den World Cup konzentriert und bin auf der Uni gewesen und habe so ein bisschen nebenher das mit dem surfen gemacht. 2014 hab ich die Uni abgeschlossen und seitdem hatte ich viel Glück mit den Sponsoren, brancheninternen und externen, die mich da unterstützt haben. Seit diesem Zeitpunkt bin ich Vollprofi. Jetzt kam die olympische Klasse um die Ecke, das Foilen ist schon eine Weile eine Passion von mir. Mich fasziniert einfach, wie man mit dem Foil über das Wasser fliegen kann und wie das Ganze unterbewusst wird. Das ist ein wahnsinnig schönes Gefühl.

2018 ist es mir dann gelungen beim Foilen den Vize Weltmeister Titel im World Cup zu erringen und das auch noch Punktgleich mit dem Weltmeistern, der mir zwei Jahre zuvor das Foilen beigebracht hatte. Gonzalo Costa Hoevel ist nun der iQFOiL- Klassen Präsident und treibt das Ganze iQFOiL Projekt mit sehr viel Fachverstand und Leidenschaft voran. Er hat mich ins Entwicklungsteam von Starboard Foils geholt. Mit ihm zusammen haben wir quasi das olympische Foil entwickelt. Und so habe ich schon früh trainieren können. Ich kann nur sagen, dass es wirklich extrem viel Spaß macht zu Foilen und alle die irgendwie interessiert sind sollten es umbedingt mal ausprobieren.

Lena: Nun noch eine abschließende Frage die von unseren Zuschauern kam, wie du dein Training finanzierst und welche Unterstützung du vom DSV bekommst?

Im Moment bekomme ich noch keine finanzielle Unterstützung vom DSV weil durch die Covid - Situation die Olympischen Spiele verschoben wurden und somit iQFOiL im DSV noch nicht als olympisch gilt. Wenn ich anderen Nationen sehen die schon seit Monaten so einiges machen ist das natürlich bitter. Aber mal sehen ich glaube da wird sich jetzt auch beim DSV doch schnell was tun. Bis jetzt finanziere ich mich Grundsätzlich über meine Karriere im World Cup von meinen Sponsoren die aber natürlich in erster Linie an World Cup Ergebnissen interessiert sind, mal sehen wie ich das jetzt mit dem iQFoilen kombinieren werde.

Vielen Dank Sebastian, wir wünschen dir weiterhin sehr viel Erfolg!