NRV Olympic Team Kiterin Leonie Meyer hat ein sehr erfolgreiches Jahr 2020 hinter sich - Aber nicht nur das. In einem pesönlichen Bericht erzählt sie, wie es nun weiter geht:

Aus Silber wurde Gold

»Aus unserer Silbermedaille bei der Europameisterschaft im Oktober wurde nun Gold, und zwar mein ganz persönliches Gold: Mein Freund Darian und ich erwarten Ende April Nachwuchs. Ein kleiner Junge wird uns Liebe schenken und uns von da an auf unseren Reisen begleiten. Wir freuen uns wahnsinnig darauf, sind aber auf der anderen Seite auch total aufgeregt. Das erste Mal Eltern sein, das erste Mal nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich sein. Da kommt eine Menge auf uns zu, aber wir freuen uns auf die Herausforderung.

Das letzte Jahr hat mich so einiges gelehrt. Zum einen hat mich mein Trainingslager in Neuseeland mit meiner Trainingspartnerin und Freundin Justina total inspiriert. Justina ist auf den sozialen Netzwerken bekannt als „Life with a kitemom“, da sie zwei entzückende kleine Töchter hat und gleichzeitig auf Weltniveau kitet. In Neuseeland konnte ich mich davon überzeugen, wie harter Wille, gute Organisation und Unterstützung durch Familie und ihren Mann es möglich machten, eine tolle Mama und gleichzeitig Kiteprofi zu sein.

Zum anderen lehrte mich das Corona Jahr, dass man so viel planen kann, wie man möchte und sich dann doch alles ändern kann. Dass man sich sogar zu Olympischen Spielen qualifizieren kann, die dann verschoben werden, dass sich die Welt auf einmal gefühlt anders herum drehen kann.

Zusätzlich zu dieser neuen Welt, in der wir alle uns erst einmal zurecht finden mussten, hatte ich plötzlich eine Menge Zeit. Events wurden der Reihe nach abgesagt und die Uni fand nur noch minimalistisch online statt. Dies gab mir Zeit zum Nachdenken, was ich mit meinem Leben anfangen will und je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass Familie auf jeden Fall eines der großen Standbeine in meinem Leben ist. Der Wunsch, eine eigene Familie zu gründen, wächst in uns schon seit vielen Jahren, doch ich hatte in meinen Gedanken immer eine Blockade, die sagte: Nach 2024 kannst du dich darum kümmern. Es gab bisher keinen möglichen Weg in meinem Kopf, meine beiden Wünsche, Olympische Spiele 2024 und Familie, miteinander zu verbinden. Doch der eine Wunsch wurde immer größer, je mehr ich darüber nachdachte und der andere hatte auf einmal einen bitteren Beigeschmack: Wie wird diese Pandemie unser Leben als Sportler verändern?

Generell bin ich ein Mensch, der lieber Herausforderungen sieht als Probleme. Also begannen Darian und ich, uns mit unserem Umfeld zu unterhalten und zu überlegen, ob es nicht doch möglich wäre auch vor 2024 mit der Familienplanung zu beginnen.
Wie ihr seht, sind wir zu einem Entschluss gekommen: Wir schaffen das.

Teamwork makes the dream work.

Mit Unterstützung unserer Eltern, die zukünftig alle in Schleswig-Holstein leben werden, und ganz speziell meiner Mutter, die selber noch Leistungssport im Segeln betrieb, als ich schon auf der Welt war, wollen wir diese Herausforderung angehen.

Mama ist total heiß darauf, endlich wieder einen Grund zu haben, ihre älteren Kinder auf Regatten zu begleiten, nun eben als Großmutter. Ehrlich gesagt haben meine Eltern schon geübt, als sie mich auf der EM am Traunsee begleiteten. Zwar gab es da noch kein Enkelkind zu versorgen, aber eine Tochter, die es kaum geschafft hätte, sich bei dem Event allein zu versorgen, weil sie den ganzen Tag über mit Übelkeit zu kämpfen hatte.

Die Übelkeit verließ mich zum Glück nach 4 Monaten wieder und ich konnte den ganzen Herbst über auf dem Wasser trainieren, wofür ich sehr dankbar bin. Das letzte Mal stand ich im Dezember auf dem Foilboard und noch im Januar bin ich Foil-Wingen gewesen, weil man dabei kein Trapez braucht - das passt jetzt nämlich wirklich nicht mehr.

Zur Zeit trainiere ich viel Ausdauer und Kraft, natürlich nicht mehr in dem Umfang wie vor der Schwangerschaft. Dennoch bin ich überrascht und fasziniert, was mein Körper im Moment noch leisten kann. Gerade gestern bin ich mit meiner Schwester und Darian 7 Kilometer joggen gewesen.

Okay ich muss zugeben, manchmal kann Darian bergauf neben mir gehen, weil ich so langsam werde. Die Luft ist eben etwas knapper, als vorher, aber ich atme ja schließlich auch für zwei.

11 Wochen sind es jetzt noch, bis der kleine Krümel das Licht der Welt erblickt - wir können es kaum erwarten - vor allem, bis ich ihn das erste Mal auf ein Kite- oder Surfboard stellen kann. Gut, das dauert wahrscheinlich noch ein bisschen, aber ich habe mich schon informiert - es gibt so Gurte, in denen man auch schon kleine Kinder auf dem Rücken oder auf dem Bauch beim Kiten mitnehmen kann ;)

Im Oktober schreibe ich dann wie geplant mein zweites Staatsexamen in Medizin. Daher wären für mich so oder so in diesem Sommer die meisten Events ausgefallen, weil ich mich in Kiel für das Examen vorbereiten muss. Darian wird sich einige Monate Elternzeit nehmen, um mich während des Lernens zu unterstützen. Außerdem möchte ich so schnell wie möglich wieder aufs Kiteboard kommen. Ich bin höchst motiviert auch während der Schwangerschaft meinen Körper so fit wie möglich zu halten, damit er es nach der Geburt einfacher hat wieder auf sein gewohntes Level zu kommen. Mitte Oktober steht unsere Team-Weltmeisterschaft auf Sardinien an, die unser Ziel- Wettkampf für dieses Jahr sein wird. Da möchten wir natürlich an die Leistung vom letzten Jahr anknüpfen.

Im Anschluss daran habe ich mich nun dazu entschlossen, das Praktische Jahr, das mir noch zum Abschluss des Medizinstudiums fehlen würde, bis nach 2024 auszusetzen und mich voll auf die Vorbereitung für die Olympischen Spiele zu konzentrieren. Unsere kleine Familie wird sich dann für zwei Monate nach Tarifa aufmachen und nach Weihnachten geht es dann, wenn sich bis dahin alles wieder normalisiert hat, nach Neuseeland. Dort habe ich bisher die effizientesten Trainings in meiner seglerischen Laufbahn erlebt. Und ganz nebenbei kann ich mir dann ja noch ein paar Tipps von der neuseeländischen Kite-Mom holen ;)

Wir freuen uns auf dieses spannende Jahr und auf den kleinen Menschen, der mir, während ich diese Zeilen schreibe, schon wieder ordentlich in den Bauch boxt. Hoffentlich kann ich ihn euch schon ganz bald persönlich vorstellen.

Liebe Grüße und bleibt gesund, Leonie«